Mit Empathie und Expertise: Interview mit Thomas Berck, Leiter der Anästhesie- und Intensivpflege an der Kreisklinik
Mit Empathie und Expertise: Interview mit Thomas Berck, Leiter der Anästhesie- und Intensivpflege an der Kreisklinik
Herr Berck, wieso haben Sie sich für die Anästhesie- und Intensivpflege entschieden?
Ich denke, das gilt für die Pflege insgesamt: Der Beruf verlangt einem viel ab – gibt aber auch unglaublich viel zurück. Gerade in der Anästhesiepflege kommen die Menschen mit ihren Sorgen, ihrer Unruhe vor der Operation auf einen zu. Als Pfleger kann man offen mit den Patienten sprechen, sie informieren und beruhigen. Diese besondere Zuwendung ist natürlich auch auf der Intensivstation gefragt. So für Patienten da sein zu können, ist etwas Besonderes.
Sicherlich auch eine kräftezehrende Aufgabe – immer viel zu tun und noch dazu so viel Verantwortung?
Ja, klar. Aber wo in der Pflege – in jedem Klinikberuf – ist das denn nicht so? Außerdem hat man die Chance, einen entscheidenden Unterschied zu machen. Wenn der Patient ruhig und sorgenfrei in den OP geht, macht er nicht nur eine bessere Erfahrung, auch die Wahrscheinlichkeit medizinischer Komplikationen sinkt. Das zu wissen, motiviert und zeigt mir immer wieder, wieso ich den Beruf gewählt habe.
Hier ist also die psychische und die physische Seite beim Patienten unmittelbar verbunden.
Genau. Ein Befund, mit dem man auf die Intensivstation kommt, oder ein Eingriff unter Anästhesie ist nicht nur körperlich ein Ausnahmezustand: Patienten sorgen sich vor den Änderungen, die mit einer Verletzung oder einer Operation einhergehen. Aber das ist ganz normal und vollkommen in Ordnung.
Wie gehen Sie damit um?
Am wichtigsten ist es, sich bewusst zu machen: Letztendlich sitzen sich da zwei Personen gegenüber. Der Patient ist ein „ganz normaler Mensch“ wie ich auch – mit Sorgen und Unsicherheiten. Was für mich Routine ist, ist für mein Gegenüber ein ungewohnter Vorgang. Das muss man sich stets vor Augen führen. Empathie ist hier das entscheidende Stichwort.
Seit 2006 sind Sie auch Praxisanleiter und bereiten angehende Pflegekräfte auf ihre spätere Arbeit vor. Was ist Ihnen in der Ausbildung wichtig?
Ich versuche, neben den allgemeinen Inhalten auch eigene Tipps und Tricks aus der Praxis einfließen zu lassen. Nach einer OP sage ich zum Beispiel immer „Guten Morgen“ im Aufwachraum. An solchen Ratschlägen können sich die Azubis orientieren, die Ausbildung wird konkreter und kurzweiliger gestaltet. Wir möchten zufriedene Azubis, die uns auch nach der Ausbildung verbunden bleiben.
Ist es schwierig, für die Anästhesie- und Intensivpflege Nachwuchs zu bekommen?
Das ist es ja überall. Der Pflegenotstand macht natürlich auch vor unserer Station keinen Halt. Dabei hat die Anästhesie- und Intensivpflege eindeutige Vorteile.
Was sticht da hervor?
Wir betreuen zwei bis drei Patienten pro Schicht, insgesamt sind es acht Betten auf der Station. So haben wir Zeit für jede und jeden, kommen mit Patienten ins Gespräch und stimmen uns im Team untereinander ab. Langweilig wird einem hier nie!
In der Bundespolitik wird vor dem Hintergrund der anstehenden Krankenhausreform gerade viel diskutiert, welche Leistungen kleine Krankenhäuser zukünftig überhaupt noch abdecken sollen. Von den geplanten Maßnahmen wäre auch die Kreisklinik betroffen. Wie betrachten Sie die Vorhaben? Braucht Groß-Gerau keine Intensivstation?
Groß-Gerau braucht auf jeden Fall eine Intensivstation! Es macht gerade für Patienten in einer Notlage – nicht nur dann – einen riesigen Unterschied, ob sie vor ihrer Haustür versorgt werden oder 20 Kilometer weit weg. Ein vertrautes, familiäres Umfeld, in dem die Angehörigen nicht weit sind, ist für alle sinnvoll. Das scheint die Bundespolitik nicht verstehen zu wollen.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen?
Die Vorhaben der Bundesregierung zeigen mir, dass wir kleinen Häuser uns nicht nur übersehen fühlen, sondern auch außen vor gelassen werden. Ich wünsche mir, dass die Politik versteht: Lokalversorger, wie wir es sind, leisten für die Patienten und für das System eine extrem wichtige Arbeit, die die großen Kliniken nicht alleine schultern können. Ohne uns geht es einfach nicht.
Danke für das Interview!